Verfertiger schöngeistiger Schriften

Im 1910 erschienenen Kleinen deutsch-lateinischen Handwörterbuch von Karl Ernst Georges steht in der Spalte 2061, dass ein Schöngeist ein Verfertiger schöngeistiger Schriften sein kann, was auch immer das ist. Selbstverständlich wird in einem archaischen Werk wie diesen auch ein lateinischer Begriff mitgegeben: "elegantiorum artium scriptor". Des Weiteren wird alternativ "bonarum artium scriptor" dort aufgeführt, was ich allerdings für mich ausschließe, weil ich wohl keine wissenschaftlichen Bücher schreibe (oder jemals schreiben werde), die man als solche anerkennen wird, weil man es nicht kann und überdies nicht gewillt sein will es zu irgendeiner Zeit können zu wollen. Fakt ist, dass ich namentlich in der wissenschaftlichen bzw. akademisch-orientierten Literatursuchmaschine von Google [scholar.google] bisweilen nicht auftauche, was mich in gewisser Weise sehr beruhigt. Es gibt lediglich eine Sache, die mich ungemein mehr mit mir selbst in den Einklang bringt - und zwar die Tatsache, dass ich keinen Eintrag in der weltweit bekanntesten freien (...) Enzyklopädie habe [die mit dem W am Anfang]. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich mal in dieser posthum einen Permalink bekäme, so bitte den ehrenwerten Finderling alles Mögliche und Unmögliche dafür zu unternehmen, damit ein solcher Artikel zumindest mit einer Löschvormerkung bestückt werden würde, besser noch: daraus verschwände.    
Bedauerlicherweise muss ich mir eingestehen, dass über die Jahre sicherlich eine Schöpfung sprachlichem Werks meinerseits teilweise der Beschreibung einer Verfertigung schöngeistiger Schriften nachkommen könnte, mit Abstrichen natürlich.   

  

Obgleich ich bis zum heutigen Tag alles - wirklich alles ohne Ausnahme - was ich jemals schrieb unmittelbar nach dem Absetzen des Gleichen wieder vergaß, bin ich trotzdem ziemlich zuversichtlich, dass unter den vielen gedruckten und ungedruckten Schriftstellereien was dabei sein wird, dass tatsächlich schöngeistig (oder schöngeistlich) daherkommen sollte. Aus genau diesem Grund - beabsichtigtes Vergessen (...) - kann ich leider kein Fallbeispiel anführen, selbst wenn ich versuchen würde darüber weitausschweifend zu sinnen. Zwar käme mir ein kleines Schundheft in den Sinn - ohne dass ich hierüber "sinnen" müsste" - doch bin ich mir nicht sicher, weil ich den Inhalt nicht mehr in Gänze kenne. Die hohe Kunst des gezielten Nicht-Erinnerns setze ich seit je her bei Verschriftungen aller Art aktiv ein, und ich kam dabei zu dem persönlichen Schluss: es ist nicht immer einfach, manchmal nahezu unmöglich, gelegentlich bleiben Dinge hängen und selten sogar eine Anzahl so zahlreicher, dass sie mein weiteres Denken nachhaltig beeinflussen. Wäre es eine Gabe, so täte ich mir um ein Wesentliches leichter, dennoch ist es angenehm, wenn man von sich selbst etwas zu einem späteren Zeitpunkt liest und dabei zur Übereinkunft kommt, dass das gar nicht mal so schlecht ist/war. Die gegenteilige Variante - das antagonistische Gefühl man hat Schund verzehrt -, darf man, respektive ich, gerne ausblenden oder als vergängliche und verjährte Sünde abtun, für die es keiner Sühne bedarf, obgleich ich mich für weiteren Ausflüchteleien niemals zu schade empfinden würde, um meine unscheinbare Reputation auf dem aktuellen Status zu belassen. 

Dieser Eintrag dient als ein Wegweiser - und ausschließlich als ein solcher. [Die oder eine Geschichte, wie es dazu kam, dass ich ein sogenannter Schriftsteller wurde, folgt weiter unten.] Für diese Zwecke habe ich drei Überbegriffe - als Kategorien - definiert, die auf ihre individuelle Vorstellung (sic!) nicht warten müssen, da sie augenscheinlich und ohne weitere Worte folgen...         


Taschenbücher, veröffentlichte

Nach, doch, so einigen Taschenbüchern in der Selbstherstellung kann ich feststellen, dass diese mitunter äußerst zeitraubend und kräftezehrend sind. Die inhaltlichen Rohtexte wurden alle schon längst geschrieben [und vergessen], verlangen im Nachgang allerdings eines Korrektorats und vor allem dem Lektorat, soll doch das Endresultat halbwegs ansehnlich daherkommen und möglichst auch Seiten enthalten, die nahezu einen fehlerfreien Eindruck auf den ersten Leserblick erwecken mögen. Ein derartiges Vorhaben ist im Alleingang ein machbares Ding, in der ersten Version indes niemals perfekt. Einfach dargelegt bedeutet dies: man ist, wenn man minuziös perfektionistisch unterwegs ist, im Grunde zu keinem Zeitpunkt fertig, selbst wenn zwischen Erstveröffentlichung und der Jetztzeit Jahre verstrichen sind. Glücklicherweise bin ich nicht so streng mit mir selbst und hege in der Hinsicht weniger Hang zur Vervollkommnung und mehr Verspieltheit zur Authentizität.
Des Weiteren vertraue ich darauf, dass Bücher ebenso unbewusst und rasch verzehrt werden wie Speisen in Mensen, Kantinen, Schnellrestaurants oder Imbiss-Buden. Wer mit Büchern arbeitet, schreibt selbst Bücher, mag affektive Reaktionen oder ist ungemein religiös unterwegs. Menschen, die sich in den Spektren der genannten Ausnahmefällen - die Aufzählung ist sicherlich erweiterbar, für mich reichen (hier) drei Schubladen - bewegen, werden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht meine Taschenbücher lesen. Sie tendieren dann eher zu den...    


Prosabände, publizierte

Ich nennen sie fränkisch gerne "Brosabroschürla", weil es im fränkischen Sprachgebrauch kein hartes "P" gibt + weil "Bände" ein wenig sehr über das Ziel hinausschießt, handelt es sich doch tatsächlich um kleine geheftete Druckschriften im A6-Format mit niemals mehr als 60 Seiten Inhalt. Der Verkaufspreis ist dabei unerhört hoch angesetzt (7,77 Euronen), damit auch wirklich niemand unbefangen oder unbedarft zuschlägt, um ein solches Exemplar in den virtuellen Einkaufskorb abzulegen. In gewisser Weise sind es Liebhaberstücke, und damit wäre an dieser Stelle bereits alles gesagt. Ausnahmslos jede einzelne (dieser) "Broschüre(n)" hat mir in der Entstehung bis zum letztendlichen Endprodukt unheimlich viel Freude bereitet, besonders drei davon, weil sie über ausschweifende Diskurse mit einem bekannten Blogger entstanden.  


Groschenhefte, erschienene

Auch für diesen Oberbegriff gibt es eine adaptierte Varietät aus meiner heimischen Vernakularsprache, die da lautet: "Schundhefdla". Da ich mich entgegen der Mundart hierzulande [Oberfranken] gelegentlich in einem - in besagtem Milieu -  leicht erhöhten Sprachniveau bewege, so denn die Verhältnisse es für angemessen erscheinen lassen, ist davon auszugehen, dass das gewählte, jargonisierte Determinativkompositum nicht über alle Maßen zutreffend ist. Zwar benutze ich meine Stimme dafür, um Inhalten mit einem schlicht-gehaltenen "Integrated Circuit Recorder - alt-deutsch: einem Diktiergerät - aufzuzeichnen, doch halte ich dabei stets bedachten Abstand mich einer Einfachsprache zu bedienen, wie man sie z. B. aus klassischen "Dime Novels" zu kennen vermag. Meine, doch mittlerweile zahlreichen, Schundhefte grenzen sich stark von der Trivialliteratur der Heftromane ab, die man gewöhnlich in (Bahnhofs-)Kiosken, Zeitschriftenläden oder Supermärkten im Kassenbereich erwerben kann. Groschenhefte, auf denen mein Klarname steht, finden sich ergo nicht in solchen wackeligen Drehständern. Das ungewöhnliche Bocklet-Format - in der Ausmessung 17 x 17 cm - lässt dies wohl auch nicht zu. Wie die o. g. "Brosabroschürla" sind auch diese, durchaus meisterhaften, Werke (sic!) mit zwei Heftklammern gebunden, was die Anzahl der Seiten auf maximal 48 begrenzt. Ferner ist jedes Band für sich genommen abgeschlossen, mit einer einzigen Ausnahme einer, auf wahren Begebenheiten beruhenden, tagebuchartigen Sterbensbegleitung mit dem Titel "Tagespostgeschichten" [Bd. 11 und 11b].
Der womöglich erheblichste Unterschied zu - wie es die Engländern sagen würden - "Penny Dreadfuls" und meinen Heften ist der: Ich produziere kein/e - wie es die Anglo-Amerikaner zu nennen pflegen - "Pulp Fiction", denn weder spreche noch schreibe ich Romane. Im Ausnahmefall sind es allerhöchstens Erzählungen mit teils episodischem Szenarien. Die "Bandbreite" [des Inhalts] ist indes und ohne eigenen "Auflagen" [sprachlicher Restriktionen?] weit gestrickt, so dass man nach einem roten Faden lieber nicht suchen sollte. 


Am Ende dieses, stellenweise sehr dürftigen, Eintrags würde ich dann doch noch gerne erläutern, wie es dazu kam, dass ich ein (bloggender) "Verfertiger schöngeistiger Schriften" wurde, also keinesfalls ein Autor und gleichsam kein Schriftsteller (per se), wenn wir uns darauf einigen können. Da ich hier ohnehin keine Antwort bekommen werde, gehe ich von einer stillen Übereinkunft oder Zustimmung aus. Wer mich als Buchautor wahrnehmen will, hört jetzt am besten auf zu lesen, da die weiteren Zeilen Fiktionen und illusorische Vorstellungen zerstören könnten.


Am 4. Jänner 2013 gründete ich eine kleine Facebookgruppe mit einem auserwählten Personenkreis und dem Ziel Geschichten über eine meiner damaligen Hündinnen gemeinsam mit den (dort digitalen) "Beiwohnern" zu schreiben, um letztendlich daraus dann ein kleines Büchlein zu machen. Um eine alte Geschichte kurz abzuhandeln, verlief die Sache im Sande. Für eine solche Idee war diese soziale Plattform entweder noch zu jung in ihren Jahren oder ich zum dumm, um es ordentlich aufzuziehen. Zwar weilten unter den Mitgliedern immerhin zwei Autorinnen und ein weiterer, der später (durch mich) einer werden durfte, sowie mindestens zwei versierte Blogger beiden Geschlechts. Ich baute darüberhinaus sogar eine (kostenlose) Homepage mit einem angegliederten Blog auf und beschränkte das Projekt auf ein Jahr Schaffenszeit (- weil danach Zahlungen fällig geworden wären). An meiner eigenen Untätigkeit lag das Scheitern zumindest anfänglich nicht, doch leider sollten alle Abhandlungen, die dabei als Blogposts entstanden, niemals eine literarische Verwendung finden - noch schlimmer sogar: ich habe diese Texte heute gar nicht mehr, und da kein Webarchiv das Blog mehr listet - wahrscheinlich war es nie gelistet -, gingen sie unweigerlich verloren (nicht verschollen). 
Zehn Monate und achtzehn Tage später zog ich mit der Kündigung der Gratis-Domain an der sprichwörtlichen Reißleine. Es dauerte weitere neun Monate, ehe ich mich dazu durchringen konnte, die restlichen Fragmente zu einem kleinen Buch zu formen. Mit einem Blogaufruf konnte ich drei befreundete Bloggerinnen für das Lektorat finden, um dann eine korrigierte Veröffentlichung an dem Geburtstag des Hundes [und gemeinhin dem Welttierschutztages] herauszubringen. Eine weitere Bloggerin überließ mir sogar einen ihrer Texte.     

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon längst mein Erstlingswerk herausgebracht. Wie es dazu kam, ist jedoch eine komplett andere Geschichte, die am 21. Februar 2014 mit einer an mich getretenen Nachfrage eines Verlages begann. Die Autorenberaterin stoß auf meinen Hauptblog und war an einer Zusammenarbeit sehr interessiert. Nach längerer, stets überaus freundlicher Korrespondenz zog ich allerdings auch hier die Reißleine aus unterschiedlichen Beweggründen. Die vielen Stunden für das Manuskript wären damit verlorene Zeit gewesen, hätte mich damals nicht befreundete Blogger und Autoren dahingehend ermutigt das Projekt nicht zu verwerfen. Kurzum: Im Selbstverlag erschien jene Anthologie am 6. Mai 2014. Rückblickend bin ich sehr froh darum, insbesondere den Schritt genauso getan zu haben.


Seither ist einer meiner hauptsächlichen Beweggründe Bücher zu veröffentlichen - oder wie ich es gerne nenne: Schriften zu drucken - ein stetiger Begleiter meiner selbst geworden. Psychologen könnten meine Herangehensweise mit einer Phobie gleichtun, für die es wohl noch keinen Namen gibt; ich würde es dagegen eher als eine Einschätzung ansehen wollen, die lediglich oberflächlich ein wenig unrealistisch daherkommt. Das große Geheimnis ist keines, dass eines zu bleiben hat: Ich bin getrieben von der Befürchtung, dass irgendwann einmal das Internet gelöscht wird - richtig gelesen: gelöscht wird. Und genau deswegen stelle ich Texte ins Internet (...) und lasse die Wertvollsten unter ihnen dann drucken.                



Bildquelle: Der eigene Wiki-Eintrag.