Kapitel 1
Die Kerzen flackerten stark auf, als Oligarchin Ninhursagg eine bedrückende Hyperraumnachricht auf ihren kleinen, handlichen Notebook-Schirm von einem der entferntesten Geheimdienstaußenposten erfuhr. Sie war geschockt von dem, was sie da lesen mußte. Skeptisch, wie ihre Art es ist, wies sie es von sich, sie konnte und wollte es nicht wahrhaben. Waren sie wirklich schon so weit vorgedrungen??
Aufgeregt schreitete die erst vierundfünfzigjährige Repräsentant [die Lebenserwartung ihrer Spezies liegt bei durchschnittlichen hundertsechsundneunzig Jahren] der United Andromeda Federation (UAF) in ihrem großen, aber spartanisch eingerichteten Arbeitszimmer hin und her. Ein Außenstehender könnte denken, sie wäre apathisch, ein Epileptiker, hysterisch oder womöglich eine Frau, die dringend einmal einen Raum aufsuchen müßte, in dem man gewöhnlich nur alleine seine Zeit verbringt. Ihr Volk - bekannt als die Da-Humans - nannten es Toilette.
Auf jeden Fall war dem nicht so! Ninhursagg. war aufgeregt, wütend, gereizt, sogar ein bißchen ängstlich. Ängstlich, daß diese furchtbare emotionslose Rasse ihren Bürgern und den Bürgern der gesamten Föderation - vielleicht der ganzen Galaxie - nicht nur etwas, sondern sehr viel antun würde. Diese Spezies beraubte einem den individuellen Gedanken, der für die meisten Humanoiden überhaupt das wichtigste darstellt. Es wäre eine grauenvolle Vorstellung, ohne jeglicher Empfindung zu leben. Lachen, weinen, lieben, usw. - all das hätte dann keinen Platz mehr.
Und das schlimmste war - sie war dafür noch die Hauptverantwortliche, daß diese furchtbare Rasse überhaupt zu Ihnen fand.
Die Oligarchin atmete tief durch und sah aus dem Fenster. Sie erblickte die wunderschönen Skyline ihrer Heimatstadt, Enanna. Es war herrlich, ein Büro zu haben, daß sich im hundertachtundneunzigsten Stock eines Hochhauses mit zweihundertvier Etagen befand. Doch das war nun nicht mehr relevant. Ninhursagg war fast am weinen, als sie ihrer Stadt den Rücken zukehrte, um zu Ihrem Nahrungsverteiler zu gehen. Mit schwacher Stimme verlautete sie: »Tee, marducanischen, heiß, mit einen Löffel vergeranischen Honig!« Ein kurzer Zischen erklang - und aus dem Nichts replizierte der Computer einen Tasse ihres Lieblingsgetränkes. Vorsichtig nahm sie die Tasse in die Hand, seufzte kurz und ging dann wieder zum Fenster zurück.
Die Kerzen flackerten erneut. Kerzen? In einer Zeit, in der die Technologie das wichtigste darstellte? Ninhursagg liebte diese dunkle, fast melancholische Atmosphäre. Sie war schon immer eine Romantikerin mit Ambitionen auf die früheren traditionellen Zeiten. Sie war fast so etwas, was man Renaissance-Frau nannte. In ihrer Art ist sie eher introvertiert, ruhig und ausgeglichen. Doch im Moment sprodelten die Emotionen nur so in ihr hoch. Sie versuchte sie zu unterbinden, aber es gelang ihr nicht. Sie war traurig, verheimlichte es aber quasi vor sich selbst. Das war nicht die Ninhursagg, die sie kannte.
Es war schon spät abends und sie stand nun - nach einem schweren Arbeitstag - am Fenster und war so aufgebracht, wie sie es nur einmal war. Damals verließ sie ihr Mann, weil er der Auffassung war, sie widmete sich mehr ihrem Beruf und den Verpflichtungen, als ihm. Doch das war nun vergeben und vergessen. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Und so verkrampfte sie sich auf anderes, schon längst Vergangenes, fast schon etwas mythenologisches. Sie dachte an die Geschichten - die sie von Ihrem Vater als kleines Mädchen vor dem Einschlafen erzählt bekam -, die archäologischen Aufzeichnungen, die alten Schriften, die Übermittlungen und die zahlreichen Berichte, Recherchen, etc. von unzähligen Historikern, die die späte Vergangenheit der ersten Weltraumabenteuer der Da-Humans über zur Gründung der Föderation bis hin zur Gegenwart berichteten. Es war eine hervorragende Zeit, an die man sich gerne erinnert ...
Kapitel 2
Im Café Adhesive war es ruhig, viele Gäste waren schon gegangen. Außer dem Wirt, den Bedienungen und den Küchenangestellten waren nur noch etwa zehn Gäste im Café. Verständlich, denn es war schon sehr spät, wenn nicht sogar schon ein bißchen früh. Durch die großen, offenen Fenster am Eingang des Lokals konnte man bereits den Morgentau förmlich spüren. Es würde etwas kälter, ein bißchen frisch.
Drei Gäste an einem Tisch wollten gerade gehen - unter ihnen auch der berühmte Wissenschaftler und Physiker, Dr. Jar Tausig, der damals noch recht unbekannt war. Wir schreiben das Jahr 29.461 S.C.L. und dieser Mann befindet sich am Schluß einer jahrelangen Arbeit, die er mit seinen Freunden Anlil und Samuzi begann.
Vor etwa zwölf Jahren hatte er eine Vision. Er wollte sein Volk zu den unendlichen Weiten des Weltraums führen - mit den Hintergedanken, dadurch auch endlich einmal an Geld zu gelangen. Zugegeben, er hatte es nicht einfach. Auf Haven (damals fehlte noch die Nachsilbe Prime) erholten sich die Da-Humans noch von einem dummen, langen, brutalen planetarischen und teilweise orbitalischen Krieg, bei dem es nur um Zwistigkeiten bezüglich der Aufteilung der Ressourcen ging. Millionen verloren Ihr Leben und nur, weil zwei Vereinigungen - die Bottem auf der einen und die Hicken auf der anderen Seite - nicht diplomatisch miteinander diskutieren konnten, wer nun die erste Basis auf den einzigen Mond von Haven erstellen durfte. Doch das war Geschichte und Tausig stand am Schluß seiner Arbeit.
»Komm schon, Jar, wir haben doch morgen einen kleinen Ausflug geplant! Du brauchst noch ein bißchen Schlaf, wir sollten gehen« sprach Samuzi, der ein hervorragender Techniker und ein sehr guter Ingenieur war.
»Dem bin ich mir bewußt« entgegnete Tausig mit einer etwas müden Stimme. »Aber...«, setze er fort, »Du benötigst auch Schlaf. Und wenn ich mich recht entsinne, warst Du doch derjenige, der oftmals zu spät zur Arbeit kam, weil sein Wecker angeblich nicht ‘innerhalb normaler Parameter’ funktionierte, nicht wahr?« Tausig hatte an diesen Tag überraschender Weise ein recht gute Laune. Dafür war er eigentlich nicht bekannt, mehr für das Gegenteil. Doch es war ihm nicht zu verdenken. Seine Frau starb früh und seine zwei Söhne kamen im Krieg ums Leben.
»Oh, ich erinnere mich auch daran, Jar!« meinte spöttisch der frühere Mathematiklehrer, Anlil. »Ich kann mich ganz genau noch erinnern, wie er mal nur in ...«
Samuzi unterbrach ihn. Offenbar war es ihn peinlich: »Schon gut, die Geschichte ist alt und mir mißfällt es ehrlich, daß Du sie mir immer wieder von neuem erzählst!« Seine Stimme klang ein bißchen gereizt.
»Er erzählt sie aber gut.« entgegnete Tausig. Er war offenbar immer noch in bester Stimmung - vermutlich vom vielen Trinken.
Samuzi sagte daraufhin nur »Ja, ja. Das stimmt schon ...« in einem nicht mehr so gereizten Tonfall. Er hatte sich in den vielen Jahren schon an Anlils Geschichten gewöhnt. In jeder freien Minute erzähle er irgendeine dämliche Geschichte, die er natürlich enorm übertrieben wiedergab, und so war es auch bei dieser hier.
Es herrschte kurze Ruhe. Ein paar Sekunden später blickten sich dann alle drei an und lachten laut auf. Und Anlil meinte noch so nebenbei »Es war aber auch lustig anzusehen, Samuzi!«
»Ja, da wirst Du recht haben« sprach Samuzi und fügte gleich noch hinzu: »Wie wär’s mit einem Tost auf die Heartbreaker?«
Es erklang das Musikstück A Fine Day als die drei Freunde Ihre Gläser aneinander stoßten. Es war eines ihrer Lieblingsstücke und so sangen sie auch, wie immer, mit. Sie waren keine guten Sänger und ihre rauhen Stimmen machten das auch nicht besser. Manchmal konnte man glatt denken, sie wären ein bißchen exzentrisch. Vielleicht waren sie es auch, wer weiß das schon?
»Fine Day, Fine Day, Fine Day ...« erklang es aus ihren Münden als plötzlich ...
... ein groß gewachsener Mann so teilnahmslos sagte: »Jungs, wir schließen gleich. Ich weiß, daß ist für Euch morgen ein besonderer Tag, aber ich muß mich auch an Gesetze halten. Und die besagen eben...«
»Ja, ich weiß, Utan. Doch pfeif mal auf Deine verdammten Gesetzte und mach’ mal heute eine Ausnahme« entgegnete Tausig.
Der Wirt meinte nur kühl und mit ein bißchen Spott dazu: »Tut mir leid, Jar. Aber jetzt ist mal Schluß. Ich möchte mir ungern morgen früh mit ansehen müssen, wie Eurer Raumschiff am Horizont in Tausende von Stück zerfällt!«
»Keine Sorge, Utan. Wir wissen, was wir tun« meinte Samuzi. Seine Stimme klang eher ein bißchen unsicher. Er hatte etwas Angst, was ihm nicht zu verdenken war. So eine Reise ins Ungewisse unternimmt man ja nicht täglich.
Und Anlil setzen noch einen hinzu: »Und die Heartbreaker ist nicht eines von vielen Raumschiffen, daß am Firmament...«
Tausig unterbrach: »Daran wollen wir doch nicht einmal denken. Leute, ich bin heute in Spendierlaune«, was seine gute Stimmung an diesem Tag noch untermauerte. »Hier Utan, der Rest ist für Dich. Kommt, wir gehen dann mal.«
»Aber jetzt gerade, wo es anfängt lustig zu werden!?« meinte Samuzi, der jemand war, der nicht wußte, wann es Zeit war, aufzuhören. Auch bei der Arbeit war das so. An der Heartbreaker arbeitete er manchmal mehr als Tausig - und dieser war eigentlich fünfzehn Stunden am Tag nur am arbeiten -, obwohl er eigentlich daheim eine altersschwache Großmutter hatte, die sehnsüchtig auf seine Rückkehr wartete.
»Ja, jetzt« meinte Tausig. »Mach’s gut, Utan!«
Sie waren schon draußen auf der Straße, als der Wirt noch ganz leise etwas in seinen teilweise ergrauten Bart sprach. »Ich hoffe, Ihr macht das auch ...«
Kapitel 3
Ninhursagg mußte ein bißchen lächeln. Sie war zwar immer noch äußerst empört, aber diese Geschichte hatte sie schon immer zum Lachen gebracht. Die frühere Lebensart war einfach amüsant. Sei es als kleines Mädchen, als Jugendliche oder als erwachsene Frau. Sie erinnerte sich noch genau an das erste Mal.
Sie war acht Jahre alt. Ihre Eltern waren beide berufstätig. Ihre Mutter war Schiffs-Councelor auf der Asantra und Ihr Vater war zu dieser Zeit Commander und erster Offizier auf dem gleichen Schiff. Die meiste Zeit war sie mit einer Frau namens Eresheki zusammen, die so etwas ähnliche wie Ihr Babysitter war.
Trotz der geringen Freizeit Ihrer Eltern und der Enge der Tatsache, daß sie auf einen Schiff lebte, hatte Ninhursagg eine erfüllte Kindheit. An Freunde mangelte es nicht und es gab auch viele Möglichkeiten, sich sportlich zu betätigen. Und dann war ja da noch das Holodeck, auf dem sie viel Zeit verbrachte. Besonders liebte sie das Skiprogramm vom Planeten Obmah Prime. Die Pisten auf diesen Planeten waren ihrer kindlichen Meinung zufolge, die anspruchsvollsten und besten in der ganzen Galaxie. Ja, Ski fahren war eines ihrer Hobbys - und ist es immer noch. Ihre Mutter hatte es Ihr im Alter von zarten sechs Jahren beigebracht.
In den Anfangsjahren Ihres Lebens war Ninhursagg sehr aktiv und lebenslustig. Bis zu jenen Tage. Bis zum heutigen Tage kann sie es sich vor ihrem inneren Augen vorstellen. Ihr Vater kam eines Abends mit einem sehr ernsten und gefaßten Gesicht nach Hause. Er hatte Ninhursagg etwas mitzuteilen, etwas, daß Ihr ganze Leben verändern würde.
Ninhursagg fragte »Was ist los, Vater! Warum hast Du so einen traurigen Blick?«
Ihr Vater seufzte und atmete tief durch. »Ninhursagg« sagte er mit einer niedergeschlagenen Stimme. »Heute ist etwas ganz furchtbares passiert.«
»Was?« fragte Ninhursagg neugierig.
»Du weißt doch, heute war diese Außenmission auf Tivan bezüglich deren Aufnahme in die UAF.« meinte Ihr Vater, der immer leiser wurde.
Ninhursagg wurde langsam ungeduldig und sagte: »Ja, Vater. Die Tivano - ich habe viel über sie gelesen. Sie sind eine interessante Spezies. Doch was wolltest Du mir sagen, sag schon?!«
Ihr Vater atmete abermals tief durch. »Ich habe Dir doch einmal von dem Tod erzählt.«
Ninhursagg wußte immer noch nicht und fragte »Was ist damit, Vater?«
»Ninhursagg ...« Ihr Vater unterbrach und setzte dann fort: »Es kam zu einer Transporterfehlfunktion als Deine Mutter gerade gebeamt wurde. Sie und die vier anderen Offiziere - sie sind von uns gegangen.«
An diesem Abend änderte sich Ninhursagg in Ihrem Charakter vollkommen. Zwar führte sie noch lange Gespräche mit Ihrem Vater - u. a. erzählte er ihr diese Geschichte -, doch sie veränderte sich dadurch. Auch die Tatsache, daß die Tivano letztendlich der UAF beitraten, veränderte nichts. Nach diesem Zeitpunkt war sie mehr introvertiert, las viele Bücher, zeichnete und wurde stiller. Sie dachte oft nach und war viel allein. Dieses Unglück veränderte ihr ganze Leben - drastisch.
Dann war da noch ein Geschehnis mit sechzehn Jahren. Sie hatte Ihre erste Liebe gefunden, Vannar, ein hübscher neunzehnjähriger Fähnrich - frisch von der Akademie. Ein Jahr verbrachten sie ununterbrochen zusammen bis zu jenem Tag, wo der große Abschied bevorstand. Vannar wurde auf ein anderes Schiff, eine Art Kriegsschiff, abkom-mandiert. Ihr Vater konnte nichts dagegen machen. Befehle vom obersten Kommando waren daran schuld. Alle verfügbaren Leute wurden gebraucht. Es war die Zeit der Kelvan-Krise. Viele Offiziere starben bei Ihren Kriegseinsätzen - darunter auch Vannar.
Und dabei begann alles so schön. Beide wollten heiraten - und zwar direkt nach dem Krieg. Doch Vannar kam nie zurück.
Es dauert erneut eine Zeitlang, bis Ninhursagg dies verkraftete. Dies war nun schon der zweite Mensch, den sie liebte ... und dann verlor.
Schließlich war dann noch der dritte Zwischenfall, erst vor kurzem - vor etwa fünf Jahren. Ihr geliebter Mann, Enkidu, verließ sie ohne einen wahren Grund. Es war furchtbar.
Doch es war noch furchtbarer, als sie den Grund erfuhr. Er hatte eine andere, eine jüngere Frau. Ninhursagg war schockiert und enttäuscht von Ihrem Mann, den sie ein Leben lang Treue geschworen hatte. Und erneut wurde sie ruhiger, introvertierten und stiller.
Ninhursagg nahm einen Schluck von Ihrem Tee. Diese Geschichte hatte Ihr weiter geholfen, doch diesmal nicht. Sie wurde wieder ernst und wütend. Wütend vor Zorn, vor Verzweiflung. Ein Widerstand war wohl nutzlos. Doch sie wollte es nicht hören. Sie wollte gar nichts hören, und so verfiel sie wieder in Ihre Gedanken.
Kapitel 4
Ein Pfeifton - »Countdown läuft. Noch dreißig Sekunden bis zum Start. Viel Glück!« sagte Anlil über einen Lautsprecher aus der Startkontrolle. Anlil wollte nicht mitfliegen. Er hatte nie ein gutes Gefühl beim Fliegen. Zudem wurde ihm immer schlecht. Er fuhr da lieber mit der Hyperbahn.
»Verstanden!« entgegnete Tausig schroff. Es war mal wieder ein ganz normaler Tag, und er hatte wieder seine normale Laune. Samuzi und Anlil waren das mittlerweile gewohnt. Sie kannten ihn nicht anders und wollte es auch nicht. Sie haben sich in den letzten Jahrzehnt an ihn so gewöhnt, daß sie sich ihn gar nicht mehr anders vorstellen können.
»APM-Justierung?« fragte Tausig Samuzi.
»Aktiv.«
»Antriebssysteme?«
»Online!«
»Leite die letzte Startfrequenz ein!«
Samuzi aktivierte ein paar Knöpfe und plötzlich bebte das kleine Cockpit ein bißchen auf. »Eingeleitet« erwiderte er.
»Na dann kann’s ja losgehen« kam es ganz spontan aus Tausig heraus - und auf einmal hatte er wieder ein gute Laune, wie gestern abend im Café.
Samuzi grinste und dann ertönte wieder Anlil durch die Kommunikationssysteme: »Noch zehn Sekunden - 9, 8, 7, ...«
»Aktiviere Programm ‘FD’« sagte Samuzi auf einmal.
Und da war es wieder, daß alte Problem der drei. Die Geräusche der Triebwerke vermischten sich mit einem lauten, nicht gerade schönen Musik. Der Titel des Liedes war Fine Day.
»Das ist Musik« meinte Tausig.
Durch die Lautsprecher hörte man noch schwach »3, 2, 1 und Start!!!«.
Die Heartbreaker startete zu ihrer ersten Mission.
Es muß ein herrlicher Anblick gewesen sein, wie das Schiff aus einer veralteten Startrampe empor schoß in den rötlich-blauen Himmel von Haven. Viele Beobachter diese Spektakels - unter ihnen auch Anlil - erklärten später, daß es das schönste Erlebnis ihres ganzen Lebens war. Fast so schön, wie ein späteres ...
Tausig und Samuzi nahmen von dem aber nicht viel wahr. Sie waren mehr damit beschäftigt, aus Angst Ihr Lieblingslied zu singen. »Fine Day, Fine Day, Fine Day ...« so konnte man es hören.
Nachdem die Rakete, die die Heartbreaker in die Erdumlaufbahn brachte zu einem ruhigen Treiben kam, deaktivierte Samuzi das FD-Programm. Beide waren so fasziniert vom Anblick auf ihre Heimatwelt, daß ihnen sogar nicht einmal Zeit blieb zum Atmen. Sie hatten keines Lust auf Musik und so gafften sie regelrecht aus den kleinen Luken, die man mit Bullaugen in einen Dampfer vergleichen könnte. Es war ein schöner Anblick und beide genossen ihn.
Samuzi fragte sogar »Das ist Haven«, so erstaunt war er.
»Ja«, bekam Tausig gerade so heraus.
Kurzer Zeit später wurden beide aber wieder ernster - selbstverständlich auf ihre eigene Art.
»Dann wollen wir mal ein bißchen in der Galaxie herumfliegen« meinte Tausig fröhlich. Er war nun glücklich, daß alles bis hier hin geklappt hatte. »Samuzi, aktiviere die Abtrennungssequenz!«
»Aye, Sir« entgegnete Samuzi mit einen Grinsen im Gesicht. Und auch Tausig konnte sich ein Kichern nicht verkneifen.
Die ausgebrannte Rakete wurde weggesprengt und hervor kam die Heartbreaker in Ihrer ganzen Größe. Sie war nicht sonderlich schön, aber auch nicht abstoßend.
»Fahre Gondeln aus und aktiviere Schildsystem!«
»Materie-/Antimaterieeindämmungsfelder halten, Diliziumkristall stabil. Persogondeln werden ausgefahren« fuhr Samuzi fort. Er war jetzt nicht mehr so aufgeregt, obwohl in sein Herz fast an den Hals geklopft hatte, wie er später gestand.
»Also, auf was warten wir noch« legte Tausig ein. Er wollte nun nicht mehr länger warten. »Persotransfer einleiten« sagte er entschlossen.
»Eingeleitet - es müßte jetzt jeden Moment losgehen« entgegnete Samuzi. »Wir überschreiten in fünf Sekunden die Persoschwelle ...«
Beide wurden wieder durchgeschüttelt und schrien nur noch. So eine Geschwindigkeit hatten sie noch nicht erlebt. Das Schiff vibrierte sehr stark und ...
... mit einen hellen Blitz war es verschwunden. Verschwunden in den schwarzen Weiten des Weltalls ...
Kapitel 5
Oligarchin Ninhursagg nahm einen letzten Schluck von ihrem Tee. Noch immer stand sie am Fenster und blickte auf die Skyline. Ein bißchen beruhigt war sie ja mittlerweile schon. Doch die Emotionen beeinflußten sie immer noch stark. Ninhursagg war schon immer ein emotionale und empfindliche Frau im Bezug auf solche Dinge. Doch dem war sie sich bewußt. Sie hatte sich diesen Beruf, die Politik, ausgesucht und damit mußte sie jetzt klarkommen.
Auf der anderen Seite konnte sie bei diesen Gegner - der Ihr nun diese Gedanken bereitete - einen ihrer besten Vorteile getrost vergessen. Ninhursagg war und ist eine der besten Diplomaten in der ganzen UAF. Mit dem neuen Gegner der Föderation, ja sogar der gesamten Galaxie, kann man aber nicht diplomatisch diskutieren. Man kann sich ja nicht einmal richtig unterhalten mit ihnen. Und das war ein großes Problem. Diesem Gegner ist es egal, was die jeweilige Lebensform von seinen Plänen denkt bzw. dachte. Diese seltsame Rasse hat Primärziel, die es ohne Zögern ansteuert und so lange bekämpft, bis sie ihr Ziel - die vollständige Vernichtung - erreicht haben. Es war schockierend!
Fast apathisch lief Ninhursagg zum Replikator, um dort ihre leere Tasse Tee abzustellen. Einige Sekunde später erneut ein leises Zischen und die Tasse war verschwunden. Ninhursagg lief im Raum herum und sah sich ein bißchen um. Sie erblickte zuerst eine Artefakt aus Gold - eine Art Pokal. Sie nahm es vorsichtig in die Hand. Es erinnerte sie an ihren Besuch auf der Friedenskonferenz zu Kelva. Dies war vor siebenundzwanzig Jahren. Sie war erst ein paar Jahre im Senat tätig, hatte sich aber schon ausgezeichnet als eine hervorragende Diplomatin. Dann war da noch ihre meisterhafte Kunst, telepathsich (und nicht nur empathisch) zu lesen. Als eine von circa drei jahrhundertlichen Ge-burten, gehörte sie somit zu einer Minderheit. In ihrer Kindheit verheimlichte sie immer ihre Fähigkeiten, doch seitdem sie in der Politik war, ging sie offener damit um. Die Kelvaner waren sich dem auf jeden Fall nicht bewußt und daran hat und sollte sich auch nichts ändern. Der Nichtangriffspakt mit der UAF, der damals unterzeichnet wurde und immer noch gültig ist, hat viel für den Frieden innerhalb dieses Sektors der Galaxis getan.
Als Ninhursagg das goldene Artefakt auf den Tisch stellte, es noch liebevoll streichelte, als ob es ein Lebewesen wäre, gingen ihre Gedanken erneut in die Vergangenheit. Die ersten Kontakte, die Friedensversuche, die viele Spannungen und Unterschiede. Sie hatte darüber viel gelesen, doch in bei ihrer Stimmung entfiel ihr einiges. Verkrampft versuchte sie sich zu erinnern.
Kapitel 6
Tausigs setzte damals mit seinem ersten Flug einen Meilenstein in der Geschichte der Da-Humans-Raumfahrt. Einige, der vielen provisorischen und vorübergehenden, Regierungen wurden auf Jar Tausig und dessen Projekt aufmerksam. Sie förderten ihn und sein Team so gut es nur ging. Die Geldmittel waren zur damaligen Zeit gering, die Produktion schlecht, die Wirtschaft am Boden, die Industrie ging nur schleppend. Der Krieg hatte fast alles zerstört, was in den letzten Jahrhunderten aufgebaut wurde. Vor allem die großen Städte hatten schwere Schäden und Opfer zu zeigen. Häuser waren auf die Grundmauer heruntergebrannt und die Mehrzahl der Bevölkerung wohnte nur in Hütten oder Zelten. Es war eine schreckliche Zeit, die man später unter den Namen Kali-Yuga [] kannte.
Doch trotz dieser mehr als ärmlichen Umstände schaffte es Tausig innerhalb von zehn Jahren viele der alten Raumschiffe mit seiner neuen Technologie - dem Persoantrieb - auszustatten. Ohne der Unterstützen der Regierungen und natürlich auch der Hilfe von seinen Freunden Samuzi und Anlil hätte er dies nie verwirklichen können. In diesen zehn Jahren kam es auch zu den ersten Friedensabkommen zwischen den zwei Streitparteien - den Bottem und den Hicken. Man spürte zwar immer noch einen Hauch von Antipathie, aber dieser ging schnell vorüber. Die Da-Humans lernten aus ihren Fehlern und beschlossen diese in Zukunft zu vermeiden.
An 29.487 S.C.L. - also sechsundzwanzig Jahre nach der ersten Mission - geschah dann, was geschehen mußte. Auf Haven wurde eine Weltregierung offiziell ausgerufen. Ab sofort sollte eine Soziale Oligarchie über den gesamten Planeten herrschen. Drei Oligarchen, die auf zwanzig Jahre vom Volke gewählt wurden und den High Council darstellten, sollten die Da-Humans von nun an führen. Unter ihnen bestand ein Senat aus hundert Abgeordneten, jeder für einen bestimmten Zweig verantwortlich. Dieser Senat würde ebenfalls auf zwanzig Jahre von Volk gewählt. Der Rest sollte auf zwölf Stadtstaaten, den Polis, aufgeteilt werden. Der zentrale Mittelpunkt auf Haven sollte die Hauptstadt Enanna darstellen. Hier würde der High Council und der Senat seinen Sitz haben. In Enanna sollte auch der erste, nach den Krieg gebaute und neue, Raumflughafen sein. Er trug den Namen Jar Tausig. Von hier aus wurden auch die ersten Forschungsflüge gestartet, die neben ihren wissenschaftlichen Missionen noch zwei andere Aufgaben hatten. Zum einen sollten sie Ausschau nach neuen lebensfähigen Planeten halten. Zum anderen wurde es ihnen auferlegt, neue Lebensform - egal wie primitiv - ausfindig zu machen. Die Da-Humans hatten noch nie geglaubt, daß sie alleine im All wären, doch beweisen konnten sie es nicht gerade. Und dieses Manko wollten sie jetzt beseitigen, genau wie zum Beispiel einen Qualitätsmangel an einen Möbelstück.
Doch vielleicht war es nicht so einfach?
Eines der ersten Schiffe war die D-HSS Deliverance JT-1001-A. Sie hatte ursprünglich die Aufgabe eine stellare Kartographie der Galaxie vorzunehmen. Eine großen, schwere und sicherlich langjährige Aufgabe. Die Wissenschaftler und Entwerfer - unter ihnen auch Jar Tausig und Anlil - machten sich aber großen Hoffnung, da man vor kurzem ein neues Kommunikationssystem in dieses Schiff installiert hatte. Man nannte es Subraumfunkgerät - eine verbesserte Version von einem Gerät, daß nur Radiofunksignale aussendet. Allerdings konnten sie damals noch nicht wissen, daß nach dem Verlassen des eigenen Sektors das Signal nachläßt und schließlich der Kontakt nach einigen Parsek ganz abgebrochen wird. Und so ging dieses Vorhaben auch daneben. Die Deliverance wurde erst an 29.813 S.C.L. treibend in der Nähe des interbracchialen Raums gefunden. Wie durch ein Wunder waren die Schiffssysteme nicht einmal irrebarabel beschädigt - nach fast drei Jahrhunderten! - und man konnte die Informationen noch abrufen.
Ein anderes Schiff, die D-HSS Chronicle JT-031, startete zu einer neuen Mission. Einer Mission ohne rechtem Ziel. Sie sollte einfach alles chronologisch aufzeichnen - wie ihr Name auch schon verriet -, was sie entdeckte. Nach Verlassens des eigenen Sektors brach erneut der Kontakt ab. Man machte sich nicht viel Hoffnungen mehr. Erneut eine gescheiterte Mission!?
Nach neunzehn Jahren entdeckten Langstreckensensoren des entferntesten Außenpostens auf der Kolonie im Ihrr’fie-System zwei Schiffsmuster. Es waren aber keine Da-Humans-Muster. Die zwei Schiffe flogen mit einem Lichtgeschwindigkeitsfaktor von tausendvierundzwanzig direkten Kurs auf die Kolonie. So eine beachtliche Geschwindigkeit hatte man bislang noch nicht erfunden. Das höchste aller Maße war ein Faktor von dreihundertzweiundneunzigfacher Lichtgeschwindigkeit.
Auf der Kolonie wurde somit die oberste Alarmstufe ausgerufen. Man schickte eine Subraumnachricht an alle in der Nähe befindlichen Außenposten und Schiffe - doch es war zu spät. Die Kolonie hatte keine Verteidigung aufzuweisen. Man hatte bislang noch keine hochentwickelten Lebensformen entdeckt. Einzeller, Insekten, Säugetiere, Fische, allgemein tierisches Leben, aber keine vergleichbar intelligenten Wesen. Man war unvorbereitet. Die Kolonie war ein wehrloses Ziel. Es war nur eine Frage der Zeit.
Die fremden Schiffe erreicht das System. Die Kolonisten versuchten es mit Grußbotschaften - keine Antworten. Immer und immer wieder. Nichts. Die Fremden antworteten nicht. Vielleicht verstanden sie ihre Sprache nicht. Oder konnten sie die Nachricht etwa nicht empfangen?
Nur noch Minuten, dann würden die Schiffe in den Orbit eintreffen. Bislang noch kein Zeichen von Hilfe. Gut, man hatte zwar einige kleine Gleiter, Shuttles genannt, aber diese waren nicht bewaffnet. Trotzdem flogen die Shuttles auf Abfangkurs. Auf den großen Monitor im Hauptgebäude konnte man noch mit ansehen, wie die Shuttles - eines nach dem anderen - mit einer Energiewaffe, womöglich Phaserenergie, beschossen und zerstört wurden. Es war kein schöner Anblick. Viele Kolonisten fanden sich schon damit ab, daß heute ihr Todestag war ...
Die Schiffe erreichten Ihr Ziel. Sie begannen sofort mit dem Beschuß der Kolonie. Grauenvoll, emotionslos und erbarmungslos schlugen sie mit all ihrer furchtbaren Macht zu. Vom Boden aus konnte man die großen Schiffe im Orbit noch erkennen, wie sie schossen und schossen und nicht aufhörten, daß Schicksal der Da-Humans-Kolonisten war besiegelt. Der Außenposten ächzte unter dem intensiven Beschuß. All die Jahre der Arbeit wurden nun in nur wenigen Sekunden zerstört. Gebäude, Häuser, selbst das Denkmal von Jar Tausig - alles wurde zerstört. Das wunderschöne Blaugrün des Planeten war zu einem trostlosen Braunschwarz geworden. Die Da-Humans wußten, daß es ihr Ende war, und sie hofften auf ein Wunder.
Doch es war keines ihn Sicht. Oder, was war das? Auf einmal kam aus dem nichts ein drittes Schiff. Noch ein Schiff der Fremden. Womöglich, denn es begann ebenfalls zu feuern. War nun endgültige jede Hoffnung zu spät?
Nein, daß Schiff schoß zwar, aber nicht auf den Planeten. Es schoß mit gleichartigen Energiewaffen auf die Angreifer. Ein Schiff wurde schnell zerstört, doch das andere leistete starken Widerstand. Es waren keine schönen Szenen. Die Fremden hatte wohl nicht damit gerechnet und wurden aus dem Hinterhalt überrascht. Jetzt sahen sie aber ihren Widersacher. Handelte es vielleicht um zwei verfeindete Parteien?? Oder wer sonst sollte den Da-Humans zur Hilfe kommen?
Es war ein harter Kampf, den das böse Schiffe - von Seiten der Da-Humans gesehen - dominierte. Würde das helfende Schiff versagen, wäre alles zu Ende. Es hatte schon zahlreiche Treffen hinnehmen müssen und es war in ernsthaften Schwierigkeiten. Noch ein Treffer und der Persokern könnte brechen.
Ein Zischen - ein erneuter Energiestrahl traf das verteidigende Schiff. Nun war es wohl zu Ende. Der Persokern drohte zu brechen. Gnadenlos feuerte der Gegner weiter auf das stark beschädigte Schiff. Es konnten nur noch Sekunden dauern, bis es explodieren würde. Und dann wäre alles zu spät.
Eine Art letzte Tat unternahm das zur Hilfe gekommene Schiff, daß jetzt selbst Hilfe bräuchte, als es eine Sonde auf den Planeten abschoß. Vielleicht eine Botschaft an ihre Regierung. Aber warum auf den Planeten? Was war mit diesem Planeten?
Vielleicht würden sich diese Fragen nie klären, denn ohne Vorwarnung verschwand das Schiff plötzlich wieder, so seltsam und mysteriös, wie es gekommen war. Eine neue Technologie? Wie dem auch sei, dem Angreifer war nichts mehr im Wege und er konzentrierte sich wieder auf sein ursprüngliches Angriffsziel. Noch gnadenloser als vorher. Der Gegner war wohl nun sauer. Sauer darauf, daß ihm jemand in die Quere kam, denn er offenbar schon kannte. Das Schicksal war geschrieben. Die Da-Humans-Kolonisten würden sterben!
Ein paar Sekunden noch, dann wäre dieser Außenposten nur noch Geschichte. Vielleicht auch die anderen zwei und womöglich ihre Heimat auch.
Doch was geschah da? Eine Raumverzerrung und ein Schiff erschien. Es nahm direkten Kurs auf das auf dem Planeten feuernde, fremde Schiff. Es war das gleiche Schiff von vorhin, zumindest sah es so aus. Ein Kamikazemanöver?
Ja, es prallte mit voller Impulsgeschwindigkeit auf die Oberseite des feindlichen Schiffes. Eine letzter lautloser Feuerball - und Trümmerteile beider Schiffe flogen in allen Richtungen davon, zeigten vereinzelt ein letztes Aufglimmern und übergaben sich schließlich der Kälte und Einsamkeit des Weltalls. Die Gefahr war gebannt. Der Angreifer war geschlagen!
Fragende Blicke überkamen den Kolonisten. Vielleicht könnte diese geheimnisvolle Sonde Aufklärung verschaffen??
Kapitel 7
Ein herrliches Beryll holte mit seinen Funkeln Ninhursagg wieder in die Gegenwart. Sie war ein bißchen verwirrt. Trotzdem ging sie auf dieses schöne Etwas zu. Erst als sie es in den Händen hielt konnte sie sich wieder erinnern. Den Grünblaue Aquamarin, der sie beinahe blendete, bekam sie vor fünf Jahr von einer Rasse namens Ayenna. Wieder einmal war sie dafür verantwortlich, daß ein neues Volk der UAF beitrat. Sie konnte sich noch sehr gut erinnern.
Damals machte sie mit der Menlir ein einjährige Reise zu deren Heimatwelt. Sie hätte das nicht tun müssen, doch sie wollte es so. Ein anderer hätte ohne Probleme die Verhandlungen führen können, doch Ninhursagg war stur. Sie wollte absolut sicher gehen, daß nichts der Mitgliedschaft dieses Volkes in die Quere kam. Zudem hatte sie schon seit Jahren Ayennanische Geschichte gelesen und schon viel von dieser Spezies gehört. Sie beschäftigte sich eigentlich mit einer Großzahl von bekannten Rassen in der Galaxie - eigentlich jeder - doch die Ayenna hatten ihr es so richtig angetan. Vielleicht lag es an den angeborenen Körpertätowierungen der Ayenna, für die sie so berühmt waren. Oder war es etwa nur ihre Lebensart?
Es ist erstaunlich! Dieses Volk lebt schon seit Urzeiten in einer Theokratie, die als oberstes Wesen das Universum sieht. Ihren Gott nennen sie Urschöpfer. Sie gehen davon aus, daß jede Lebensform ein Teil des Urschöpfers ist. Danach war das Universum ein holographischer Traum, der als Gedanke in den Geist des Urschöpfers projiziert wurde, und nur unsere individuelle Wahrnehmung von relativen und verschiedenartigen Rhytmusfrequenzen ließen die Welt als wirklich erscheinen. Und das war nur ein Gedanke von vielen.
Ninhursagg verstand nie so richtig die Religion der Ayenna, doch sie tolerierte sie, so wie sie war. Toleranz - das war auch eine ihrer guten Einstellungen. Sie respektierte alles - nun ja, fast alles. So auch die Ayenna und ihre Lebensphilosophie.
Die Verhandlungen auf Ayenna Prime waren angenehm, ruhig und sehr leicht. Sie gingen schnell zu Ende, denn man war sich einig. Die Ayenna waren mehr als würdig, ein Mitglied zu werden.
Und durch die Mitgliedschaft konnte man zum einen endlich den Weg zu den Caman ungebunden und frei fliegen und mußte sich nicht ständig durch die neutralen Zone bewegen - denn das war ein großer Umweg. Es war also auch ein strategischer Vorteil, denn seither florierte der Handel mit den Caman besser den je. Das Transporternetz war nach vier Jahren komplett und ein Nullzeitgeschäft mit den Caman war kein Problem mehr.
Die Oligarchin legte den schillernde Aquamarin wieder auf den Tisch zurück. Sie lächelte zwar nicht, aber innerlich war sie teilweise glücklich, froh darum, daß sie nun endlich freien Kopfes war.
Um aber ja nicht wieder in die schrecklichen Gedanken zurückzufallen, konzentrierte sie ihre Gehirnströme erneut auf die Vergangenheit.
Kapitel 8
Die Kolonisten starrten auf die Sonde, die vor den Toren ihrer Stadt gelandet war. Sie steckte tief in der braunen Erde, doch sah sie riesig und unheimlich schwer aus. Irgendwie ähnelte sie den Raumsonden, die sie selbst benutzten. Ihre Hülle war aus einer Tritanium-/Duranium-Legierung mit ein wenig Kunststoff-Verzierung. Leichtmetalle wie zum Beispiel Aluminium und Magnesium bildeten fast eine Einheit mit den Schwermetallen wie Eisen, Zinn oder Blei. Ihre Oxyde und Hydroxyde bildeten einen charakteristischer Glanz - die Sonde war so herrlich anzusehen, auch wenn sie durch den harten Aufprall stark verschmutzt worden war.
Vorsichtig wurde sie mit einem Kran aus der Erde gehoben. Mittlerweile hatten sich fast alle Kolonisten um die Sonde versammelten und bildeten einen Kreis. Jeder von ihnen wollte wissen, wer diese tapferen Fremden waren, die ihnen geholfen hatte und für sie ihr Leben ließen.
Nun trafen auch endlich die Techniker und Ingenieure ein, welche die Aufgabe hatte, die Sonde zu untersuchen. Sicherheitsleute machten Ihnen Platz, damit sie zur geheimnisvollen Sonde vordringen konnten. Der Kranführer hatte seine Arbeit getan, und nun war es an diesen Leute, die Mission zu beenden.
Den Fachleuten vielen fast die Schuppen aus ihren langen Haaren - die in der Da-Humans-Gesellschaft nichts ungewöhnliches darstellten. Den Da-Humans-Männer wuchsen schon seit Jahrtausenden Haare überall am Leib. Den Frauen dagegen überhaupt keine (mit Ausnahme auf dem Haupt, unter den Achseln und an den Geschlechtszonen).
Die Techniker sahen die Sonde und konnte es kaum glauben. Hastig lief einer von Ihnen um die Sonde. Danach wies er den Kranführer an, er solle die eiförmige Sonde nochmals heben und auf die andere Seite - die jetzt unten lag - legen. Er stellte den Kran wieder ein und mit einem ohrenbetäubenden Geräusch ging er an seine Arbeit, wendete die Sonde und war gespannt, was sein Auftraggeber damit nun bezwecken wollte.
Der Techniker kletterte auf die Sonde und versuchte den Dreck abzuwischen. Sein schöne Rotschwarzer Arbeitsuniform wurde ganz verschmutzt von der vielen Erde. Doch nach ein paar Sekunden war er fertig. Und nun war es jedem klar, warum er es tat.
Da-Humans Korporation stand auf einer Plakette auf der Sonde. War es ein Da-Humans-Schiff, daß ihnen half? Aber wie konnte das sein? Kein Schiff war in Reichweite. Und was war mit diese neue Technologie, durch die das Schiff aus dem Nichts auftauchte? Wer war der Angreifer? Der Techniker wischten nervös den letzten Schmutz ab.
Starship D-HSS Chronicle JT-031, Probe 3. Wie konnte das sein? Das sollte die Chronicle sein? Niemals! Die Chronicle hatte doch keine Waffen und auch nicht so eine Technologie. Gut, daß Schiff schien so groß wie die Chronicle zu sein und sah jetzt rückblickend betrachtet annähernd so aus. Aber wie war das möglich. Die Chronicle galt aus vermißt, schon seit Jahren.
Fragen über Fragen - vielleicht fand man eine Antwort im Inneren der Sonde?!?
Kapitel 9
Vielleicht etwas Musik, dachte Ninhursagg ...?
»Computer!« - ein Standard-Stand-by-Signale ertönte. »Ein bißchen klassische Musik des zweihunderteinundneunzigsten Jahrtausends.« Sie hielt inne, überlegte und setzte dann hinzu: »Qi, Belann. Piano Quartett in G-Flat Minor. 30 Dezibel im Wiederholungsvorgang - nach einer Stunde automatisch abschalten!«
Ein kurzes Zischen folgte. »Programm komplett.« sagte eine ruhige, weibliche Stimme - der Computer.
»Starten!« befahl Ninhursagg. Daraufhin hörte man eine wundervolle klassische Musik von der Decke, wo Lautsprecher eingebaut waren. Offenbar spielte jemand am Klavier. Ninhursagg liebte diese Musik. Sie kannte den Interpreten zwar nicht persönlich (wie auch?), aber sie hatte viel über ihn und auch die zahlreichen anderen in geschichtlichen Aufzeichnungen und Dateien gelesen. Und besonders über Belann Qi. Bei seiner Musik konnte sie immer gut abschalten. Meist meditierte sie dazu, doch heute hatte sie keine Lust.
Sie lief wieder im Zimmer herum. In all den Jahren sah sie dieses Büro schon als ihren persönlichen Raum. Hier fühlte sie sich beinahe wohler als auf ihrer Berghütte im Olymwyn. Vielleicht lag es daran, daß sie hier so viele Dinge hatte, die ihr einiges bedeuteten. Das Artefakt und der Aquamarin gehörten sicherlich dazu. Aber auch dieses seltsames Etwas, daß sie nun anstarrte. Sie wurde daraus nie sonderlich schlau.
Sie bekam dieses Ding vom Botschafter Pertus als sie vor acht Jahren an der UAF-/Zaccarianischen Friedenskonferenz auf Cosmic 2 teilnahm. Es sah aus wie ein sichelförmiger überdimmensionalgroßer Haarreif mit drei Halteflächen aus einem Ledergriff aus. In Wirklichkeit war es aber ein detailgetreues Duplikat einer alten Zaccanianischen Handwaffe, wie sie früher Ihr legendärer Monarch, König Palema, geschwungen hatte. Und nun hängte diese Waffe an ihrer Wand.
Ninhursagg nahm sie von den Halterungen ab und hielt sie fest in der Hand. Sie hatte nie gelernt, wie man so eine Waffe richtig einsetzte. Allgemein war ihr die Zaccanianische Kultur recht seltsam, doch sie respektierte sie. In den letzten Jahren wurde das Verhältnis zwischen der UAF und den Zaccan immer besser und durch das Palema-Projekt wurde dieses sicherlich noch verstärkt.
Doch ihre Aufmerksamkeit gehörte zur Zeit nicht den Zaccan an. Sie war bei einem anderen Thema - der Vergangenheit!
Kapitel 10
Behutsam versuchten zwei Techniker die Luke der Sonde, die sich direkt unter der Plakette befand, zu öffnen. Sie war ein bißchen verklemmt und die Techniker mußten ihre gesamte Kraft aufwenden, um die Türe - die nicht größer war als ein Dachfenster eines alten Holzhauses - aufzubekommen. Mit einem letzten Ruck hatten sie es geschafft. Rauch stieg ihnen unmittelbar nach Öffnung auf. Womöglich waren beim Aufprall einige Leitung beschädigt worden und es kam zu inneren Implodierungen, die ein kleines Feuer verursachten.
Schnell kletterte einer der beiden Techniker in die Sonde, nahm den an der Wand hängenden Feuerlöscher ab und versuchte das Feuer zu dämmen, was ihm auch nach einigen Sekunden gelang. Doch der Schaden war beträchtlich. Vermutlich war das Dämpfungsfeld der Sonde schon bei dem Start aus dem Schiff beschädigt gewesen. Vielleicht lag der Fehler aber auch ganz wo anders!? Es lag an den Fachleuten, das nun herauszufinden und gegebenenfalls noch etwas mehr.
Nach einigen Stunden - es war mittlerweile schon später Nachmittag - waren die Systeme wieder vollständig intakt. Es waren weniger beschädigt, als man ursprünglich vermutete. Dafür fand man einige interessante Dinge, wie z. B. Auszüge des Logbuchs, Berichte, kartographierte Sternensysteme, Aufzeichnungen usw. So eine unglaubliche Datenmenge hatte man wirklich nicht erwartet. Doch das war noch lange nicht alles, im Gegenteil.
Die Chronicle hatte auf ihrer Reise zahlreiche Missionen absolviert. Doch eine ganz entscheidende strahlte heraus. Es war die Mission auf den zweiten Planeten im Tausig-System, wie man es so schön nannte. Die Atmosphäre des Planeten war ideal für Da-Humans-Verhältnisse. So wurde ein Außenteam gebildet, um den Planeten zu erforschen. Es wurde erhofft, daß man diesen Planeten zur zweiten Heimat machen könnte.
Doch es kam noch besser. Es war erstaunlich. Das Außenteam fand schnell Spuren, die darauf deuteten, daß der Planet früher von einer hochentwickelten Kultur bevölkert war. So etwas hatte man nicht erwartet. Man war sich aber einig, weiter zu forschen. Dies war und ist (teilweise noch) eine Grundeinstellung der Da-Humans - Neugier.
Es dauerte einige Monate, und es war eine harte Arbeit. Man mußte erst einen planetenweiten Scan machen und das war mit der damaligen Technologie gar nicht so einfach. Doch die Mühe lohnte sich. Man fand zahlreiche neue Techniken und Geräte, neuartigen Computer, Energiewaffen, etc. Selbstverständlich mußte man diese erst verstehen lernen - und das dauerte wiederum ein paar Monate - und dies war keine leichte Aufgabe. Besonders schwer hatte man es mit drei speziellen Errungenschaften, die hervorzuheben sind.
Zum einen war da eine Technik, die man Beamen nannte. Das Konzept ist wie folgt: Durch ein Energie-Materie-Umwandlungsgerät - Transporter genannt - wandelt man kurzfristig ein Objekt oder eine Person in Energie um, überträgt die Energie an einen anderen Ort und setzt das Subjekt zu seiner ursprünglichen Form wieder zusammen. Diese Technik ermöglichte es nun den Da-Humans Personen und Objekte innerhalb von ein paar Sekunden an Kilometer weit entfernte Orte zu transportieren. Dieser gewonnene Vorteile verschaffte eine vollkommen neue Einsicht.
Die andere Errungenschaft war eine Art Energieschirmgenerator, der dazu dient, ein Objekt unsichtbar für Augen und die meisten Sensorsysteme zu machen. Man nannte diese Technologie Tanrvorrichtung. Es war verblüffend!
Die dritte Technik war eine verbesserte Version des Subraumfunkgerätes - genannt Hyperraumfunkgerät. Es arbeitet nach der Theorie, den Hyperraum als Medium zur Übertragung von elektromagnetischen Signalen zu benutzen. Hyperraumfunkgeräte erlauben somit die Kommunikation über interstellare Distanzen mit einer Geschwindigkeit, die weitaus größer ist, als die Lichtgeschwindigkeit. Zeitverzögerungen sind damit nur noch äußerst gering.
Letzteres hätte viele Vorteile bringen können, wäre die Energie des kleinen Schiffes namens Chronicle nicht so gering gewesen.
Ihr Erscheinen im Ihrr’fie-System war mehr als ein Zufall. Sie wollten ursprünglich zu ihrer Startort - ihren Heimatplaneten - zurückfliegen, um dort ihre neuen Erkenntnisse und ihre jahrelang gesammelten Daten preiszugeben. Auf ihren Weg orteten sie mit ihre Langstreckensensoren einen bewohnbaren Planeten mit humanoiden Lebenszeichen; auch zwei fremde Schiffe, die Kurs auf diesen Planeten nahmen. Instinktiv orderte der Captain an, zum Ort des Geschehens zu fliegen. Dabei könnte man gleich einmal diese neuartige Tarntechnologie und - wenn es sein muß - sogar die Energiewaffen testen. Schließlich wußte man ja nicht, was einen dort widerfahren würde. Der Rest war ja bekannt.
Die Sonde diente also dazu, die gesammelten Daten zu bergen. Die Kommunikationssysteme und der Transporter des Schiffes waren im orbitalen Kampf mit den Gegner schon längst zerstört worden, es blieb also keine andere Möglichkeit in Kontakt zu treten.
Die Techniker waren äußerst überrascht von dem, was sie in Erfahrung gebracht hatten. Die Datenmengen waren unglaublich, die neuen Erkenntnisse überwältigend, die Techniken faszinierend. Es wurde zwar nie in Erfahrung gebracht, wer dieser Gegner war, aber man war sich sicher, daß sich in den nächsten Jahren vieles ändern würde ...
Kapitel 11
Noch immer spielte im Hintergrund die Musik von Belann Qi. Die Waffe haltend, dachte Ninhursagg noch ein wenig, bis sie schließlich selbige wieder zurück an ihre Wand hängte. Danach blickte sie sich erneut im Raum um.
Sie mußte lachen. Nein, nicht nur ein Lächeln - ein richtiges lautes Lachen. Sie sah in der Vitrine diesen Bóntrec-Teller, ein darauflegendes vakuum-getrocknetes Fleisch und war wirklich belustigt davon. Es erinnerte sie an ihr erstes (und letztes) Treffen mit den Bóntrec. Damals, es muß vor drei Jahren gewesen sein, wurde ein Scout-Schiff der Bóntrec durch das Corda-Wurmloch - welches nur einen festen Eingang hat; der Ausgang ist immer variabel - in das Territorium der Phelan katapultiert. Die Besatzung des kleinen Raumers der Bóntrec war ziemlich erschreckt, als sie plötzlich drei Schiffen der Phelan gegenüberstanden. Den Bóntrec war ja nicht bewußt, daß sie ohne Erlaubnis in deren Reich vorgedrungen waren. Die Phelan sind nicht leicht einzuschätzen und handeln meistens sehr emotional. Sie sind zwar Mitglied der UAF, grundlegend friedlich und zurückhaltend, aber wenn es um das Verstoßen von Raumgebieten ging, waren sie recht impulsiv.
Die Bóntrec dagegen sind eine recht seltsame Rasse, die zu dieser Zeit in einem Feudalismus lebte. Sie waren und sind nur auf Profit aus. Skrupellos basieren ihre Gedanken auf den Prinzipien des extremen und übertriebenen Kapitalismus. Sie denken scharfsinnig, bürokratisch und gerissen. Vor allem aber sind sie im gewissen Sinne traditionell eingestellt. Vielen Kodexe, Regeln und Schriftrollen beherrschen ihr Alltagsgeschehen. Die Bóntrec lieben und leben den Handeln. Und das war es eigentlich auch nur, was sie wollten - ein bißchen handeln.
Dazu hatten die Phelan aber überhaupt keine Lust. Sie nahmen das Scout-Schiff in Schlepp und informierten den Föderationsrat.
Noch im selben Monat wurde Ninhursagg dann nach Phelanus berufen. Es waren anstrengende, aber auch belustigende Tage. Die Bóntrec waren zu dieser Zeit recht kindisch und teilweise sexistisch. Ständig wollten sie etwas anbieten oder verlangen. Sie waren ein bißchen nervig, aber mit der Zeit gewöhnte sich Ninhursagg an sie.
Doch an eines gewöhnte sie sich nie - und würde es auch nie können: Es war das Essen der Bóntrec. Grauenvoll, widerlich und abschreckend. Die Bóntrec aßen rohe Käfer. Es war gräßlich. Ninhursagg hatte aber keine andere Wahl. Als Zeichen ihres Mutes und des Friedens mußte sie einfach ein paar dieser Dinger herunterwürgen.
Es war die schlimmsten Woche ihres Lebens! Da halfen auch nicht mehr die Gastgeschenk der Bóntrec. Ein alter, zugegebener Weise schön verzierter Teller, auf dem früher einmal ihr erster Handelsführer aß und eine getrocknetes Stück Fleisch von selbigen. Das war eine Sitte der Bóntrec. Tote wurden nach ihrem Versterben sofort vakuum-getrocknet. Ihre Überreste wurden dann in Stücken an andere Bóntrec verkauft. Ninhursagg fand es einfach barbarisch und teilweise sarkastisch. Selbstverständlich sagte sie das den Bóntrec nicht.
Die Oligarchin lief zur Vitrine, öffnete diese und wollte den Teller und diese Stück Fleisch schon in die Hand nehmen. Doch sie ekelte sich so sehr davon, daß sie es doch unterließ. Zudem war es ein Stück ihrer Vergangenheit.
Und da erinnerte sie sich wieder, woran sie gerade noch dachte. Diese neue, nun schon alte Ära, war wahrlich ein angenehmerer Gedanke, als die (frühe) Gegenwart.
Kapitel 12
Es war kein normaler Tag. Man schrieb das Jahr 29.512 Scieclos Cunnar Lombat (S.C.L.). Ein schon etwas gebrechlicher Botschafter Jar Tausig machte sie auf den Weg zu seiner letzten Mission. Mit wackligen Beinen und einen Stock in seiner rechten Hand ging er Richtung Transporterraum. Er befand sich in einen der vielen Korridore des Raumflughafen auf Enanna, der seinen Namen trug. Mit langsamen Schritten näherte er sich seinen Ziel.
»Sir.« Ein junger Offizier ging an Tausig vorbei.
»Hm« bestätigte der Botschafter knapp. Er mochte noch nie diese Förmlichkeiten. Viel lieber wäre es ihm, wenn alle sich untereinander duzten würden. Aber das war ja leider nicht mit der Hierarchie zu vereinbaren.
Tausig stand nun vor dem Transporterraum. Dieses Technologie war wirklich beeindrucken. Er konnte es immer noch nicht glauben, daß man sich einfach von einem Ort zu einem anderen Ort - womöglich Kilometer entfernten - mit so einem Transporter beamen konnte. Er atmete noch einmal tief durch und ging dann durch die Türe.
»Botschafter« sprach der Transporterchef. »Die Globe ist startklar. Sie warten nur noch auf Sie, Sir!«
Tausig schaute den Offizier etwas fragend an, stellte sich auf die Transporterplattform und antwortete schließlich. »Beamen Sie mich schon mit ihren verdammten Ding auf dieses Schiff.« Er hielt ein und setzten dann fort. »Globe? Ein kurzer, nicht gerade scharfsinniger Name ...«
Der Transporterchef schaute ein wenig schräg, als Tausig plötzlich noch hinzufügte: »... er gefällt mir. Und nun machen sie schon ihren Job!«.
Der Offizier grinste und entgegnete: »Aye, Sir. Ich gebe Energie.« Ein kurzes Zischen und der Botschafter löste sich langsam in seine Moleküle auf.
Kurz nach der Rematerialisierung auf der Globe, mußte der Botschafter erneut einiger dieser Förmlichkeitsfloskeln ertragen. Diesmal mit dem ersten Offizier und dem Captain der Globe.
Ein etwas älterer Mann - der Captain des Schiffes - begann das Gespräch. »Botschafter Tausig, Willkommen am Bord der Globe! Es ist uns eine Ehre.«
»Ein schönes Schiff haben Sie da, Captain!« antwortete der Botschafter.
Ein Lächeln überzog das Gesicht aller Anwesende.
»Ich fand die Heartbreaker aber trotzdem schöner. Und jetzt wünsche ich mich in mein Quartier zurückzuziehen.« meinte Tausig.
»Nummer Eins, begleiten Sie den Botschafter in sein Quartier. Ich bin auf der Brücke, wenn Sie mich brauchen.« ent-gegnete der Captain schroff.
Der erste Offizier konnte sich das Lächeln nicht verkneifen und sagte: »Hier entlang, Botschafter!«
Die Fahrt war ruhig und nicht gerade lange, doch sie sollte in die Geschichte eingehen. Die nächsten fünf Tage sollte historischen Charakter bekommen. Es war der erste kleine Schritt zu einem neuen Zeitalter für die Da-Humans, dem Satya-Yuga.
Kapitel 13
In einer etwas besseren Stimmung wandte sich die Oligarchin von der Vitrine ab. Sie überlegte kurz und schaute sich abermals etwas im Raum um. Diesmal galt ihr Blick einem wunderschönen Tisch aus Lapislazuli. Die blaue, undurchsichtige Farbe des Tisches aus Halbedelstein paßte hervorragend in diesen Raum, der mittlerweile mehr als nur ihr Arbeitszimmer war.
Sie konnte keinen richtigen Gedanken fassen und so ging ihr Blick nun wirr durch den Raum. So stellt sie fest, daß der Fußboden aus dem quarzartigen, magmatische Gestein - als Granit bekannt -, eine ausgezeichnete Mischung mit der Decke aus Saphir-Quarz und der Wand aus einer Aluminum-Legierung bildete, in der verschiedenartige technische Apparaturen, aber auch Schränke und Schubladen aus Leichtmetallen eingebaut wurden. Es war einfach wunderschön.
Doch Ninhursagg wurde aus ihren Gedanken gerissen.
Die Kerzen flackerten, als die aus dem Nichts erklungene weiche Musik, die zu der getrübt-dunklen, fast melancholischen, Atmosphäre in ihrem Zimmer paßte, aufhörte zu spielen. Ninhursagg seufzte. War tatsächlich schon eine Stunde vergangen? Womöglich schon, sonst hätte der Computer nicht automatisch abgeschaltet - wie sie es befahl.
Ninhursaggs Lippen formten sich zu einem Wort zusammen: »Co ... « Doch sie verstummte plötzlich. Sie hatte keine Lust, viel zu sagen. Und so sah sie die Computerkonsole auf dem Tisch aus Lapisaluzli an. Ruhig ging sie auf selbige zu und bediente mit ihren fünf zarten, bräunlichen Finger an jeder Hand einige Tasten. »Wie wär’s mit einer Camanthrischen Oper?«, dachte sie. Erneut huschten ihre Finger über die Knöpfe hinweg. Einige Sekunden später konnte man erneut aus dem Hintergrund einige sanfte Töne hören. Sie unterschieden sich sehr stark von den vorheri-gen, aber im Wesentlichen waren sie doch genauso anmutig wie die von Belann Qi.
Sie seufzte überlegend. Sie war noch nie eine Frau der schnellen Entscheidungen gewesen. Daher ging sie wahrscheinlich auch nicht zur Akademie. Es war nicht so, daß sie damals nicht spontan genug war. Sie hatte nur keine Lust, diese hierarchische Ordnung durchzulaufen. Vom anfänglichen Crewman zum Ensign, dann zum Lieutenant Junior Grade. Später wäre sie dann vielleicht Lieutenant Senior Grade geworden. Nach zehn Jahren dann sogar Commander. Und nach erneut ein paar Jahren würde sie schließlich ihr eigenes Kommando haben. War es das ihr wert? Nein, und zwar ein deutliches!
So faßte sie damals den Entschluß, auf eine Politikerschule zu gehen. Sie fand es so viel einfacher. Drei Jahre eine fundierte Ausbildung und dann - BANG! Schon hatte man sein Diplom als Politiker. Eine Partei zu finden und somit in das Ministerium zu kommen war dagegen schon etwas schwieriger. Doch schaffte man es, war alles offen.
Ninhursagg hatte nur indirekt Vorgesetzte und es war für sie ein leichtes, eine Kampagne zu starten, um auf sich aufmerksam zu machen. Schnell bekam sie ihr Zuständigkeitsgebiet - der westliche Teil des Stadtstaates Modit. Und so ging es langsam bergauf. Nach fünf Jahren leitete sie Modit und nach weiteren drei Jahren war sie bereits im Senat tätigen. Und so kam eines zum anderen.
Diese Frau stand nur vom diesem Tisch in diesem Zimmer und dachte nach. Nicht an ihre Vergangenheit - an eine weitaus frühere. Es war die Zeit, in der alles beginnen sollte.
Kapitel 14
Ein großes, wunderschönes silbriges Schiff - von Aussehen und der ovalen und stromlinienförmigen Gestalt fast einen eigenen Organismus gleichend - näherte sich einem blauweißen Planeten. Anmutig nahm es eine unmittelbare Flugbahn ein.
»Fähnrich, in Standardorbit gehen!« befahl ein glatzköpfiger Mann, der offenbar das Kommando leitete. Glatzköpfig? Dafür waren die Da-Humans eigentlich nicht bekannt - eher für das Gegenteil. Besonders die Frauen. Egal welche Farbe auch immer, ihre langen, glatten oder gelockten Haare sollten später einmal berühmt, ja sogar berüchtigt in der gesamten Galaxie werden.
»Aye, Sir!« antwortete ein junger, eher zierliche Da-Humans. Seine Finger huschten geschickt über einige Tasten und betätigten dabei viele Knöpfe. Höchstwahrscheinlich war er der Pilot dieses Schiffes.
Ein Zischen - die Türen öffneten sich, als ein gebrechlicher alter Mann den großen rundlichen Raum betrat - Brücke genannt.
»Botschafter, Sie auf der Brücke?« fragte der Glatzköpfige mit ein wenig Besorgnis in seiner Stimme. Offenbar hatte er diesen Mann nicht auf seiner Station erwartet.
»Warum nicht, Captain Caris? Wir haben doch wohl unser Ziel erreicht, haben wir doch?« entgegnete der Botschafter - Jar Tausig war sein Name - mit etwas Hohn.
Der Captain mußte ein wenig grinsen. »Selbstverständlich. Was dachten sie denn!? Sie sind uns hier doch immer willkommen, Sir! Nehmen Sie doch Platz.«
»Ich bin vielleicht schon alt und gebrechlich, aber ich habe es nicht nötig, mich zu setzen« sprach der Botschafter und fügte schnell noch hinzu: »Und jetzt werde ich mich setzen.«
»Aber was, nein nicht auf die Konsole ...!!!«, brüllte Captain Caris beinahe.
»Ups!« entgegnete Tausig, der ein eigenartiger Mann geworden war, nicht senil, aber eigenartig. Keiner konnte ihn so richtig verstehen, doch er war irgendwie lustig.
Und so konnte sich der Captain ein erneutes Grinsen nicht verkneifen.
»Captain, wir haben Standardorbit erreicht. Wir werden auch vom Planeten gerufen - nur audio!« sagte der junge Mann am Steuer. Seinem Rang nach war er Ensign.
Captain Caris zögerte ein bißchen. Auf diesen Augenblick hatte sein Volk so lange gewartet. Und ihn wurde es auferlegt, dieses Mission anzuführen. Kein Wunder auch, daß er schließlich mit einer etwas zittrigen Stimme folgendes befahl: »Gut, auf die Lautsprecher!«
»Hier spricht Senatsmitglied Moldar der Camanthrischen Republik. Wir hatten Sie nicht so früh schon erwartet. Der Vorsitzende des Senats und der Senat selbst ist z. Z. leider verhindern. Daher bin ich gebunden, mit ihnen Kontakt zu suchen. Das Treffen wird jedoch planmäßig in einer Stunde stattfinden. Wenn Sie es wünschen, können Sie sich schon einmal die Gebäude von nahem ansehen. Ich gebe ihnen hier die Koordinaten. Mein Volk ist gespannt auf ihre neue Technologie. Wie nannten sie diese noch einmal - Beamen?« kam es durch die Lautsprecher.
Der Captain stand auf, so als ob er zu jemanden reden wollte. Im Laufe der Jahre wurde daraus eine Eigenart von ihm. »Richtig, wir nennen es Beamen. Ich schlage vor, ein Außenteam wird zusammen mit unserem Sonderbotschafter, Jar Tausig, in zehn Minuten auf ihren Planeten beamen. Ich werde später hinzukommen. Ich freue mich schon auf unser erstes Treffen. Caris Ende!« Der Captain wollte eigentlich noch etwas mehr sagen, aber er war dafür etwas zu aufgeregt.
Eine Stunde später ...
»Energie« sagte der Captain. Er stand angespannt auf einer Transporterplattform.
»Aye-aye, Sir!« antwortete ein Mann mittleren Alters mit bräunlich-gelockten langen Haaren. Er bediente ein paar Tasten an der Transporterkonsole und einige Sekunden später löste sich der Körper des Captains in seine Moleküle auf.
Caris materialisierte vor einem weißen Gebäude mit tragenden Säulen. Er sah sich kurz um und ging dann mit ruhigen Schritte in selbiges.
»Captain« rief eine Stimme.
Der Captain erschrak ein wenig und drehte sich dann um. »Aah, Commander. Berichten Sie!« befahl Captain Caris entschlossen.
Der großen, etwas schlacksige junge Mann antwortete ernst: »Der Senat ist bereits anwesend. Der Vorsitzende wird bald kommen. Dieser Planet ist wirklich wunderschön. Folgen Sie mir bitte, Sir!«
Der Commander schritt rasch einen breiten Flur ohne Fenster an der Wänden entlang. Statt dessen hängten überall Bilder. Solche Gemälde hatte er noch nie gesehen. Der Captain folgte ihm mit begeistertsten Augen. »Sir, die Caman sind eine recht aufgeschlossene und freundliche Spezies. Sie haben viele Vorzüge und einige interessante Eigenschaften. Es gibt zwischen unseren beiden Rassen mehr Zusammenhänge als Sie denken.« sagte der Commander stolz.
»Hm, ich kann mir vorstellen, was sie meinen ...« meinte Caris. Er war immer noch beeindruckt von der Schönheit dieses Gebäudes.
Nach vielen unzähligen Gänge und Etagen erreichten sie nach ein paar Minuten Ihr Ziel. Auf ihren Weg begegneten sie nur wenigen Leuten, die gar nicht überrascht von ihrer Präsenz waren. So als ob es ganz alltäglich war, anderen Rassen über den Weg zu laufen. Das Gebäude schien fast leer zu sein.
»Hier sind wir, Captain!« sagte der Commander schließlich. Sie standen vor einer hohen Tür - fast einem Tor. »Dahinter verbirgt sich das Schicksal der Zukunft, unserer Zukunft!«
Kapitel 15
Starr, wie eine Zinnsoldat stand Ninhursagg mittlerweile an einer großen, hohen ovalen Luke, einer Öffnung zur kalten und rauhen Natur. Die Frau stand wieder am Fenster. Diesmal blickte sie aber nicht auf die Skyline ihrer Stadt. Sie schaute zu den Sternen auf. Um sie herum war es still. Außer der leisen Musik und dem Knistern der Kerzenfeuers, hörte man nichts. Und das war auch gut so. Sie liebte es.
Von Ruhe konnte man beim besten Willen nicht sprechen. Sie war noch sehr aufgeregt. An einem normalen Tag würde sie stundenlang am Fenster stehen, doch heute war kein normaler Tag. Die Botschaft, die sie vor über einer Stunde bekam, setzte sie in Beunruhigung. Ninhursagg versuchte somit sich ständig abzulenken. Sie wollte sich aber nicht entspannen oder meditieren, oder doch? Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen.
So drehte sie sich plötzlich um und atmete tief ein. »Computer, die Termine für die nächste Wochen auf den Bildschirm auflisten« sprach die Oligarchin in einem genervten Tonfall. Erregt ging sie die Liste durch.
»Die Termin am morgigen Vormittag absagen. Die am Nachmittag auch gleich - ach, die gesamten Termin für morgen absagen!« sagte sie aufgebracht. Sie hatte keine Lust dazu, morgen in einer sicherlich miesen Stimmung etwaige Leute in Empfang zu nehmen. Sie würden dadurch nur leiden, dachte sie.
Ihr ging es nun schon etwas besser. Sie lehnte sich wieder dem Fenster zum schwarzen Meer aus Sternen zu. Sie dachte an die Worte eines Mannes, eines kühnen Mannes ...
Kapitel 16
»Wie war es wohl vor vielen Äonen, in einer endlos grauen Vorzeit? War es etwa still in der Galaxie? Gab es noch keine Völker, die die Raumfahrt entwickelt hatten und zu den Sternen reisten? Zog niemand zwischen den Sternen umher, um das Universum in seinen unendlichen Weiten zu erforschen? War man sich früher überhaupt bewußt, daß es noch vielen andere Welten mit den verschiedensten Rassen gab? Keiner konnte wohl erahnen, welche ungeheuren Wunder, Abenteuer und Wagnisse es dort draußen geben könnte, oder doch?
Gab es womöglich Rassen, zu denen der Samen des Lebens schon viel früher kam? Und wenn? Die wenigen, bereits existierenden Völker waren wohl noch nicht so weit. Wahrscheinlich lernten sie gerade, wie man Höhlen bewohnte und wie man Feuer macht. Manche wohnten vielleicht schon in Hütten, wenige in Häusern. Seltenere Fälle führten ihre Kriege, stritten um Nahrung und behaupteten sich ihrer Existenz. Aber es war still um sie herum. Sie hatten keine Ahnung, wußten nichts, kannte keine andere Spezies als die ihre. Sie beteten ihre Götter an oder auch nicht? Auf sich alleine gestellt, entwickelten sie sich weiter. Erste primitive Techniken waren bestimmt auch schon vorhanden. Doch die Reise in das schwarze Meer, daß mit weißen, rötlichen, bläulichen, grünlichen und goldenen Punkten verziert war - kurz Universum genannt - würde noch lange Zeit auf sich warten lassen. Bis dahin war es noch ein langer und schwerer Weg!
Aber war es wirklich so?? Hätte es nicht auch ganz anderes sein können?
Die Antwort ist: Ja, ja, ja! Im ganzen Universum kann jedes Geräusch, jeder Schrei, jede Stimme nur vernommen werden, wenn jemand zuhört. Und wir hörten zu. Heute ist der Tag für einen neue Ära!«
Ein Raunen, ein Tuscheln ging durch den großen Saal als der Camanthrische Senatsvorsitzende seine Anfangsrede mit diesen Worten beendete.
Ein glatzköpfiger Mann stand plötzlich auf und klatschte in seine Hände. Es war Captain Caris. Sein Commander schloß sich im schnell an. Und auch die anderen des Außenteams - dann noch einige Caman. Ein paar Sekunden später stand jeder klatschend im Saal. Es war eine herrliche Kulisse.
An diesem Tag sollte sich alles ändern. Der erste Kontakt zwischen den Da-Humans und den Caman war mehr als gelungen. Und es sollte nicht der einzige sein.
Schnell schlossen diesen beiden Rassen Freundschaft. Das gegenseitige Verhältnis wuchs und wuchs. Sie tauschten Techniken, Errungenschaften und Forschungen aus und lernten sich so besser kennen. Für die Caman war es nichts ungewöhnliches - für die Da-Humans jedoch ein Meilenstein. Noch nie zuvor waren sie mit einer anderen Spezies in Kontakt. Und nun war alles anders. Dank den Caman konnte man sich nun ein genaues Bild von der Galaxis formen. Die stellare Kartographie der Caman war wirklich erstaunlich. Nun konnte man mit Zielen fliegen und weitere Kontakte mit anderen Völkern knüpfen.
Und das tat man auch.
Es wurden viele neue Rassen entdeckt - jede hatte ihre eigene Art und ihre eigene Geschichte. Die meisten waren kooperativ, freundlich und/oder friedlich, wie da wären: Die Tivano, die Obmah, die So’Shant, die Camintha oder die Traces. Andere waren jedoch nicht so nett, sie waren kriegerisch eingestellt und es kam auch zu ersten kleinen und größeren Zwischenfällen mit Lebensformen wie den Asto’r, den Chryten oder den Sekhar. Um diese in der Zukunft zu vermeiden, beschloß man Kontaktvermeidung. Dies hatte aber nicht viel Erfolg. Und so wurden auf ersten diplomatischen Treffen Ende des sechsundzwanzigsten Jahrtausends S.C.L.-Zeit über neutrale Gebiete diskutiert. Es waren harte und lange Verhandlungen. Doch am Ende wurden die Staatsgrenzen klargemacht. Es gab hin und wieder Zwischenfälle, aber diese wurden auf kurz oder lang geklärt.
Außer mit einer Rasse, die ständig für Unruhe sorgte. Bis dahin war es noch eine sehr seltsame, ungewöhnliche und mysteriöse Lebensform, die keiner humanoiden Spezies in irgendeiner Form glich. Sie waren selbstsüchtig, hinterhältig, unberechenbar, emotionslos, unfreundlich und (natürlich) extrem aggressiv. Auf der anderen Seite waren sie aber auch diplomatisch und hochintelligent. Man wurde aus ihnen nicht schlau. Ursprünglich kannte man dieses Volk von den Traces. Es wurde gewarnt vor dieser Rasse.
Sie nannte sich selbst Kelvaner.
Kapitel 17
Ninhursagg stand am Fenster. Sie war emotional hin- und hergerissen. Die Vergangenheit hatte ihre guten und schlechten Seiten, wie ihr nun ganz deutlich wurde. Der blutige und jahrzehntelange Krieg mit den Kelvanern - bei dem sie auch ihre erste Liebe verlor - gehörte sicherlich zu den nicht gerade angenehmen Renaissancen. Die Gründung der United Andromeda Federation und der spätere Friedensvertrag mit den Zaccan waren dagegen Dinge, an die man sich gerne erinnerte.
Vielleicht war es doch nicht so klug gewesen, sich mit einem Rückblick in die Vergangenheit von der enttäuschenden Nachricht abzulenken. Wie sagte einmal jemand: ‘Die Vergangenheit soll man ruhen lassen!’
Die Oligarchin dachte nach. Vielleicht sollte sie aufhören, nachzudenken? Vielleicht sollte sie manchmal einfach spontane Entscheidungen treffen. Was würde es bringen, wenn sie die ganze Nacht damit verbringen würde, sich abzulenken, indem sie sich an die Vergangenheit erinnerte? An Geschichten, die sie als Kind interessierten und begeisterten. Geschichten, die sie in der Schule gelernt bekommen hatte. Geschichten, die ihr damals ihr Vater erzählte.
Die junge Frau hatte keine Antworten parat.
Sie seufzte und gab sich selbst einen Ruck. Fest entschlossen drehte sie sich um und ging auf den Kerzenhalter zu. Vorsichtig blies sie die drei Kerzen aus, die schon halb abgebrannt waren. Auf einmal wurde es dunkeln im Zimmer. Nur noch die Lichter der Stadt und des Mondes erleuchteten ihr Büro.
»Computer, die Musik sofort stoppen!« sagte sie ruhig. »Vielleicht wäre es jetzt angebracht, einen Schlußstrich zu ziehen!« sprach sie zu sich selbst.
»Bitte Befehl neu definieren!« sagte eine weibliche Stimme - der Computer.
Ninhursagg mußte lachen. »Nein, ich spreche nicht mit Dir.« Sie hielt ein, um dann fortzusetzen: »Was tue ich hier? Jetzt rede ich schon mit dem Computer ...«
Die Oligarchin ging zur Türe. Ein Zischen, sie öffnete sich. Ninhursagg stand schon mit einem Fuß im Flur, als sie sich nochmals kurz umsah. Es war ziemlich finster - auch wenn das Flurlicht ihr Büro etwas erhellte -, doch sie konnte noch die verschiedenen Artefakte erblickten und mußte erneut grinsen.
Und vom einen auf den anderen Augenblick änderte sich ihr Gesichtsausdruck drastisch. In einem entschlosseneren und etwas lauteren Tonfall lies sie folgendes verlauten:
»Es wird noch eine lange Zeit brauchen, bis hier cybernetische Maschinen ihr Unwesen treiben! Eher sterbe ich!!«
Oligarchin Ninhursagg verließ den Raum - in Richtung Zukunft, in ihre Zukunft. Sie würde es schaffen, wenn Hoffnung, Entschlossenheit und Mut sie nicht im Stich ließen. Sie brauchte in erster Linie Zeit. Doch es heißt, die Zeit sei das Feuer, in der wir alle brennen. Und für sie wurde die Zeit knapp. Die Zeit war reif.
Epilog
Zwei Tage danach kam folgende Nachricht auf allen bekannten Föderationsfrequenzen:
»Bereiten Sie sich auf Ihre baldige Assimilation vor. Sämtliche biologische und technologische Charakteristika wer-den in unser Kollektiv aufgenommen. Ihre Kultur wird der unseren angepaßt, um uns zu dienen. Wir sind die Grandi. Widerstand führt nur zu unnötigen Komplikationen. End of Transmission.«
Anmerkung 2022: Unkorrigiert und in der alten Rechtschreibreform belassen. Wer unbeabsichtigte Trennungsfehler [Trennungs-fehler] findet, der darf sich bei der schnöden Faulheit meinerseits mittels Copy-Paste [Copypaste?] bedanken.
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and, partially, by
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